1919-1930 Wiederaufbau der Trambahn und zweite Blütezeit
Im Juni 1919 schied von Frauendorfer als Direktor der Städtischen Straßenbahnen aus, Otto Scholler erhielt die Leitung als Oberbaudirektor und wurde im Folgejahr zum berufsmäßigen Stadtrat gewählt, nachdem die Straßenbahn neben den Strom- und Gaswerken zum selbständigen Referat erhoben worden war.
Die Wiederinbetriebnahme des vorhandenen Streckennetzes als auch der Bau zusätzlicher neuer – schon vor dem Krieg geplanter – Streckenabschnitte, wie die Linie 22 vom Harras zum Rotkreuzplatz (über Westend und Donnersbergerbrücke) führten dazu, dass im Jahre 1920 bereits wieder 25 Linien voll in Betrieb waren. In den Folgejahren standen die Umbauten um den Hauptbahnhof sowie andere Erneuerungsarbeiten an, die zu einer Verbesserung des Nahverkehrsangebots führten. Durch die wachsende Inflation in den Jahren 1922/23 kam es zu einer neuerlichen vorübergehenden Fahrplaneinschränkung. Zwischen 1917 und 1923 waren die Tarife siebenundsechzigmal erhöht worden; am 27. November 1923 kostete eine Teilstrecke 150 Milliarden Mark.
Im Jahr 1922 wurde ein neuer Generalverkehrslinienplan verabschiedet, der jedoch wegen der Inflationszeit erst ab 1925 umgesetzt werden konnte. Er berücksichtigte die Notwendigkeit einer geraden Linienführung, der eine unabdingbare Voraussetzung für einen Massentransport in einer Stadt war, deren Einwohnerzahl die Millionengrenze erreicht hatte. Er bedeutete das Ende der kurvenreichen Nebenstrecken, der Streckenführung durch die Innenstadt- und Altstadtstraßen sowie der engmaschigen Linienführung in der Innenstadt mit Ring- und Querlinien. Dennoch wurde das Prinzip des Gitternetzes für den Linienplan noch nicht gänzlich aufgegeben. Vorgesehen waren große Stammlinien, die von den Vororten in die Innenstadt führten. Weiterhin wurde aber noch am Innenstadtring festgehalten und sogar der Weiterbau des Außenrings ins Auge gefasst, wobei aber im Wesentlichen nur die Abschnitte im südlichen und westlichen Teil vorgesehen waren.
Nach der Inflationszeit stand der heruntergewirtschaftete Betrieb vor gewaltigen Belastungen an nötigen Erneuerungen, Ergänzungen und Erweiterungen. Rettung war die Aufnahme der sog. Amerika-Anleihe in Höhe von 5 Millionen Reichsmark im Mai 1924. Die Besserung der Einnahmen erlaubte eine Erneuerung des Wagenparks: Da die Städtischen Straßenbahnen in den Kriegs- und Inflationsjahren keine neuen Fahrzeuge beschaffen konnten, entstand ein erheblicher Wagenmangel, der 1925 und 1926 durch den Kauf von 100 Dreiwagenzügen der Bauart E behoben wurde. Die 100 Triebwagen (526-625) wurden von den Waggonfabriken Linke-Hoffmann-Lauchhammer in Breslau, MAN in Nürnberg und Schöndorff in Düsseldorf gebaut, während die Beiwagen von MAN und Rathgeber geliefert wurden. Die Wagen waren länger als die der früheren Serien und hatten erheblich größere, erstmals durch Türen ganz abgeschlossene Plattformen. Obwohl diese Fahrzeuge nach dem damaligen Stand der Technik durchaus modern waren und ganz gut aussahen, übte die Bevölkerung starke Kritik. Die unbeliebten Längssitze, die schweren „fingergefährdenden“ Türen und nicht zuletzt die Bestellung des überwiegenden Teils bei nord- und ostdeutschen Firmen füllten damals manche Zeitungsspalte mit bissigen Artikeln und Leserbriefen. Der in Fensterhöhe dunkelgrau und unten dunkelblau gehaltene Anstrich entsprach auch nicht den Wünschen der Münchner.
Die Inbetriebnahme der E-Wagen ermöglichte neben der Anlage einer Vielzahl von neuen bzw. modernisierten Wendeschleifenanlagen auch wieder einen weiteren Ausbau des Münchner Trambahnnetzes, so eröffnete man am 1. Mai 1925 die neue Strecke der Linie 3 in der Arnulfstraße zwischen Seidl- und Donnersbergerstraße. In den Jahren 1926 bis 1930 kam es dann zu einer deutlichen Ausweitung des Liniennetzes. Zunächst wurde die Zubringerlinie 31 in Betrieb genommen, die vom Ostbahnhof nach Ramersdorf bzw. Berg am Laim führte. 1927 wurde zum ersten Mal das Projekt der Durchquerung des Englischen Gartens diskutiert (ein Projekt, das lange Jahrzehnte ruhte und heute wieder leidenschaftlich diskutiert wird). An anderen Segmenten dieser äußeren Ringlinie, von der bereits der Abschnitt Sendling – Neuhausen bestand, wurde weitergebaut und das Teilstück Neuhausen – Schwabing fertig gestellt.
1929/30 kam es endlich zum Anschluss der nordwestlichen Randgebiete mit der Linie nach Moosach. 1930 nahm – moderne Konzepte vorwegnehmend – die erste Eil-Linie der Münchner Trambahn auf der Strecke Pasing – Hauptbahnhof den Betrieb auf, so dass sich die Fahrtzeit von 30 auf 20 Minuten verkürzte. Im selben Jahr wurde diese Eil-Linie bis Moosach verlängert.
Von 1926 bis 1931 wurden sämtliche Triebwagen der Serie C modernisiert: sie erhielten entsprechend der Ausführung bei den E-Triebwagen Schleppdächer, wobei man die drehbaren Richtungsschilder und die Signallampen für die farbigen Linsen in das Dach einbaute. Das Kästchen für die Liniennummer wurde unmittelbar auf das Dach gesetzt und bekam seitliche Abweisbogen für die Leine der Stromabnehmerstange. Nach diesen Änderungen gab man den C-Wagen die Typenbezeichnung D.
In diese Zeit fällt auch die Erstellung des neuen Generallinienplans von 1928, des größten Streckenplans, der jemals ausgearbeitet wurde. Er sah nicht nur den großzügigen Ausbau des Straßenbahnnetzes vor, sondern zusätzlich eine Kombination mit fünf U-Bahnstrecken, die die Stadt sternförmig durchkreuzen sollten. Dieses Netz sollte noch durch zwei bis drei elektrische Schnellbahnen ergänzt werden, die weit in das Umland hinaus führen sollten. Dieses Vorhaben kam aber über die Phase der Projektierung nie hinaus. Das Ringliniensystem sollte weiter ausgebaut werden, neben dem bereits bestehenden Innenstadtring war die Vollendung des Außenrings vorgesehen, der dann aber zum Innenring werden sollte. Zusätzlich waren ein Mittelring und ein weit ausholender Außenring (Pasing – Moosach – Daglfing – Riem – Unterhaching – Pullach – Solln – Großhadern – Pasing) vorgesehen. Dazu kamen Stichlinien in die Außenbezirke, die zum Teil viele Jahre später als S-Bahn-Linien verwirklicht wurden. Das geplante Netz sollte fünf Ringlinien, 25 Radiallinien mit vielen Querverbindungen, insgesamt über 150 Teilstrecken umfassen.
Der weitere Ausbau des Münchner Trambahnnetzes zu Ende der zwanziger Jahre erforderte erneut eine Ergänzung des Fuhrparks. Im Großen und Ganzen war man mit den zuvor gelieferten E-Wagen zufrieden, daher wurde deren Baukonzept – geräumige Fahrzeuge mit großen, geschlossenen Plattformen und Maximum-Drehgestellen – mit den von der Firma Hawa (Hannoversche Waggonfabrik AG) gelieferten Triebwagen 627-666 der Serie F 2.10 fortgesetzt. Zuvor hatte man bei den Firmen Autokasten und MAN noch einen Prototyp F 1.9 mit der Wagennummer 626 beschafft. Nachdem die Städtischen Straßenbahnen sich mit der dunkelgrau-dunkelblauen Farbgestaltung der E-Wagen keine Freunde in der Bevölkerung gemacht hatten, fanden diese wieder weiß-blau lackierten Züge überall freuderfüllte Betrachter und manche fuhren eigens aus ihren Stadtvierteln zur Linie 1, auf der diese Prachtexemplare der Münchner Straßenbahn zuerst verkehrten. Auch die eingebauten Quersitze mit je zwei gegenüberliegenden Bänken, die dazwischen angebrachten Ablagetischchen, die grünen Sonnenschutzvorhänge und die bei den Eingängen liegenden kurzen Längsbänke fanden große Zustimmung.
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Die 1925/26 gelieferten Fahrzeuge des Typs E trafen nicht den Geschmack der Münchner. Triebwagen 580 mit zwei Beiwagen in Schwabing, 1926.
Archiv FMTM e.V.
Autor: Klaus Onnich FMTM eV., Leiter Fahrdienst Bus Ost und
stv. Betriebsleiter BO Kraft der Stadtwerke München GmbH
Dreiwagenzug der Type F bei der Fahrt durch das Sendlinger Tor, 1930,
Archiv FMTM e.V.