Die Geschichte der Wartehallen
Schon 1883 schuf die damals junge " Münchener Trambahn-Actien-Gesellschaft" den ersten Warte-" Salon" für die Dampftrambahn am Stiglmaierplatz (auf dem Gelände der Marienanstalt). Im Jahre 1886 folgte am anderen Ende der Strecke das zweite Bauwerk dieser Art am Volksgarten in Nymphenburg (etwa bei der heutigen Christkönigkirche). Weitere Bauten entstanden dann 1889 (Sendlinger-Tor-Platz), 1890 Salzstraße, heutige Arnulfstraße, 1892 Ostbahnhof, Promenadeplatz, Maillinger-/,Nymphenburger Straße 69, 1893 lsartalbahnhof, Frauenstraße, Freibadstraße, 1897 Ruhestraße, Hompeschstraße, 1898 Bahnhofplatz,1902 Barthstraße und 1903 an der Leopoldstraße (heute Münchner Freiheit). In den folgenden Jahren, hauptsächlich 1910, wurden bis zum ersten Weltkrieg 1914 insgesamt 38 Wartehallen gebaut. Während des Krieges (bis 1919) wurden nur vier Wartehallen errichtet. Der größte Teil aller bis dahin errichteten Bauten bestand aus Holz ohne besondere Fundierungen. Die ältesten heute noch stehenden Häuschen sind Neuhausen (1907) und Grünwalder Strecke (1910). Erst 1924 (nach der Inflation) gab es wieder eine Bautätigkeit auf diesem Sektor. Bis zum zweiten Weltkrieg 1939 wuchs die Zahl dieser Wartehallen auf 91 Bauten. Während des Weltkrieges (1940 bis 1945),entstanden nochmals 25 Stationen und Wartehallen, darunter allerdings viele Provisorien und Ersatzbauten. Hauptsächlich gegen Kriegsende gingen 23 Wartehallen durch Luftangriffe, eine durch Artilleriebeschuss und drei durch Plünderung verloren, viele sind schwer beschädigt worden. Bereits 1946 entstanden wieder die ersten neuen Bauten, oft noch unter Mithilfe von Privatleuten. Erst nach der Währungsreform 1948/49 konnte ein umfangreicheres Bauprogramm in Angriff genommen werden. Bis 1965 entstanden weitere115 Neubauten. Während die Wartehallen früher und auch teilweise nach dem letzten Krieg noch in Holzbauweise erstellt wurden, konstruierte man sie ab 1952 aus Stahl, zuerst in Rund-, später dann in Vierkantrohren.
Testaufbau der Einheits-Haltestellen-Überdachung mit Plexiglasam 2.Dezember 1953 im Betriebshof.
Eine neue Wartehalle Neuhofen am 3.September 1954
Wartehalle im Jahr 1965
Schon von jeher wird der Wartehallen-Kundendienst bei den Verkehrsbetrieben gross geschrieben, was jedoch von den Fahrgästen nicht immer gewürdigt wird, vielleicht in Unkenntnis der Dinge. Die Aufwendungen für diesen Service sind beachtlich. So enthalten die letzten Wirtschaftspläne allein 40 000 bis 60 000 DM für den laufenden Unterhalt (im Jahr 1965 sogar 140 000 DM), weitere140 000 DM für die Errichtung von 20 Typenwartehallen, 90 000 bis 200 000 DM für Sonderkonstruktionen, 20 000 bis 30 000 DM für Versetzungen, 25 000 bis 50 000 DM für Personalaborte. Dazu kommen noch die laufenden Kosten für Reinigung und Beleuchtung sowie die Heizung in Stationshäusern.
Drei Einheitstypen sind entwickelt worden. Das Bestreben, gewisse Einheitstypen zu schaffen, bestand schon immer (auch bei den früheren Holzbauten). Aus städtebaulichen Gründen sind darüber hinaus aber auch viele Sonderkonstruktionen entstanden, meist Massivbauten in Verbindung mit Bedürfnisanstalten an Endhaltestellen auch mit Personalaborten, Fahrradeinstellen und Sonderräumen. Die drei Einheitstypen wurden für folgende Zwecke geschaffen:
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(A) für schmale Stellen einseitig offen, normale Fahrgastzahlen 1,20 mal 2,50 Meter.
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(B) Für stärker frequentierte Haltestellen, ebenfalls offen 1,20 mal 4,20 Meter Geschlossene Form,
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(C) wenn genügend Platz vorhanden, aber Eingang in Hauptwindrichtung liegt, 5 mal 2 Meter.
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Die Kosten für die einzelnen Ausführungen betragen: A etwa 5000 DM, B etwa 6000 DM und C etwa 7500 DM.
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Die Ausführung in Vierkant-StahIrohr-Konstruktion mit Blechfüllungen. Oben Dickverglasung gedeckt mit Weilasbest-Zement (Profil,5), Regenrinne und Fallrohr, ausgestattet mit einer Lattenbank und einer elektrischen Deckenleuchte. Fundiert auf Betonsockel,40/40/100 cm, Gehwegplattenboden.
Beantragt werden Wartehallen heute meist von den Bezirksausschüssen, wobei sich aus verschiedenen Gründen nicht alle Wünsche erfüllen lassen. Je nach den örtlichen Gegebenheiten muss im Einzelfall zusammen mit dem Amt für öffentliche Ordnung ein Plan erstellt werden. Nach der neuen Bayerischen Bauordnung muss der Plan alle beteiligten Sparten vom Straßenbau bis zu den Versorgungsunternehmen durchlaufen und dann bei der Lokalbaukommission bzw. auswärts beim Landratsamt zur bauaufsichtlichen Genehmigung eingereicht werden.
Darüber können bis zu drei Monate vergehen. Auch die Stromversorgung bereitet oft Schwierigkeiten, da die Straßenbeleuchtung nicht in allen Fällen einspringen kann. Der Idealfall, eine Wartehalle unmittelbar an der Haltestelle selbst aufzustellen, scheitert meist an den zu schmalen lnselflächen. Es wird meist ein Platz auf öffentlichem Verkehrsgrund (Gehbahn oder Grünfläche),in der Nähe der Haltestelle in Anspruch genommen. Ist auch das nicht möglich, muss versucht werden, einen Vertrag mit dem betreffenden Grundstücksbesitzer abzuschließen; er bekommt natürlich eine entsprechende Entschädigung. Von den bis heute gebauten 204 Häuschen sind 174 reine Wartehallen, zehn offene Schutzdächer und 20 Stationshäuser. Nach der Ausführungsart handelt es sich um 52 Massivbauten, 59 Holz- und 93 Stahlkonstruktionen. Im Durchschnitt erhöht sich die Zahl dieser Bauten jährlich um 20 bis 25. Außerdem stehen den Fahrgästen an den Haltestellen noch etwa 600 Bänke zur Verfügung.
Otto Engelhardt/SWM 1965